Wir halten bei Tag fünf in der Hitzewelle Nummer vier. Heute standen 37 Grad am Thermometer. Im Schatten wohlgemerkt. Schon in der Früh trällerten sie aus dem Radio: Ein herrlicher Badetag, Sonne ohne Ende und ich weiß nicht wie oft gab es: Toll, Geil…. und sonst noch was.
Also ich bin Winzer. Meine Reben stehen im Boden, verwurzelt in der Natur. Ich finde 37 Grad jetzt gar nicht so toll, geschweige denn Geil. Meine Reben finden das auch nicht mehr. Nach vier Wellen – und sechs Wochen mit Null Niederschlag. Wir haben viele Junge Anlagen, die befinden sich im Stressmodus hoch vier, viele kämpfen schon extrem mit der Trockenheit. Gelbe Blätter, Mangelerscheinungen, teils Laubfall, Kümmertriebe und vertrocknete Trauben sind an der Tagesordnung. Es fehlen teils 60% der Monatsniederschläge, bei der auflaufenden Jahresbilanz sieht es nicht anders aus. Das macht Sorgenfalten. Das wirft einiges Normale über den Haufen, es ändert den Herbstplan radikal und das Weinwerden heuer macht es voraussichtlich zu einer richtigen Herausforderung.
Die Weinwelt steht Kopf, ein Wetter-Extrem jagt das Nächste:
In Spanien und Portugal trocknen die Weinberge aus, in Bordeaux brennt hunderte Hektarweise der Wald ab, und verrußt gleich noch die Trauben mit; 2022er Bordo wird mit herrlich rauchigen Tönen versehen sein! Im Burgenland schwindet der Wasserstand des Neusiedlersees rapide und der Zicksee, der trägt sich in die Geschichtsbücher ein – Es war einmal… Wer sein Langzeitgedächtnis aktiviert der bekommt dann noch folgende Bilder: in Deutschland wird ein ganzes Anbaugebiet von der Flut mitgerissen, Jahrhunderte altes Kulturgut wird in 12 Stunden wegradiert, manchen Bio-Winzern verfault die Ernte an den Stöcken; Hagelkörner in Tennisballgröße fegen über das Weinviertel und enden mit einem Tornado über Tschechien- verwüsten dort einen ganzen Ort….. Nun, man nennt das Natur. Besser Naturgewalt. Als Winzer bekommst du es direkt mit und es präzisiert den Satz: Wir stehen nicht auf der Erde, wir stehen in der Erde.
Dann aber kurz ins Netz geblickt, und Insta und sonst noch wo: meist nur heile Welt. Winzer/innen hopsen durch den Keller und machen Faxen, ein Sommelier grinst und stammelt Subba – legga!, Vier-Sterne Verkostungen im Fünf-Sterne Lokal samt Batterien von leeren Flaschen, deren Inhalt jeweils mehr Wert ist als so mancher Tank im eigenen Keller. Auch das ist Winzer Sein. Natürlich. Und Mitleid ist ein schlechtes Geschäftsmodell. Auch klar. Aber ab und an ist vielleicht ein Schritt Rückwärts besser als ein Sprung vorwärts. Alle zusammen und viele kleine Schritte – damit bewegt man was. Wenn wir es ernst nehmen mit unserm blauen Planeten – und das sollten wir – dann wäre JETZT ein guter Zeitpunkt. NOW or NEVER – so steht es auf meinem Syrah.
Als dann – Packen wir´s! Herzlichst – Christian Jassek